2017– FRISCHER WIND
ein neues Team arbeitet im Turnus im Laden. Simone, Lisa, Anatole und manchmal Fidel. Drei KünstlerInnen und ein Journalist.
Wir waren zusammen im Frühling 2019 neun Tage in der Türkei, in Istanbul und Zentralanatolien, nachdem sie schon einiges über Kelims wussten. Nur ist das nur die eine Seite der Medaille. Man muss die Menschen kennenlernen, mit denen man zusammenarbeitet, gut türkisch essen, Weberinnen beim der Arbeit zusehen, die Weite der Hochebene bei Konya erfassen, in Museen gehen. Dann fügt sich das Puzzle zu einem Bild zusammen. Auch mit Esther Geiger, einer Mitarbeiterin, die über viele Jahre bei uns war, sind wir auf Reisen gegangen.
TONI HUTMACHER 23.11.1942–16.6.2013
Wir vermissen Toni. Er war ein tiefgründiger, schöpferischer Mann und guter Freund.
Toni Hutmacher und Arlette Bollag haben 1979 zusammen Nomadenschätze gegründet und gemeinsam alles getan, was es dazu brauchte, vom Einkauf bis zum Verkauf. Dazu kamen viele Reisen, allein oder zu zweit, schöne, spannende vierunddreissig Jahre lang.
Wie unser Freund Henri Daumas in seinem Nachruf in HALI so schön schrieb:
'For a long time I was unaware of Toni Hutmacher. I met him a good while after I had met his wife, Arlette Bollag, a lively woman with a charismatic personality and an infectious love for old kilims. Toni seemed more difficult at first. He was a quiet man who didn't talk for the sake of talking. I quickly realised that behind this taciturn manner lay the secret of a rich and strong personality. In the course of shared journeys to Venice and Anatolia I got to know him and took great pleasure in discussing our mutual passions.
A professional architect, he had studied at one of the best Swiss universities, the ETH in Zurich, and was very avant-garde in his concepts. The spaces he created always felt amazingly good to live in, light and thoughtful on a perfect human scale. Both he and Arlette had travelled extensively from the late Sixties on; for them, the language of form, colour and the composition of the kilims was a revelation. They shared this passion for forty years.
The first major exhibition of Nomadenschätze, Toni and Arlette's company, was held in Gstaad in January 1979. Later, after suffering health problems he spent more time in Valle Onsernone, a wild mountain valley in Ticino. Cultivated, refined to his fingertips, he spent a lot of time with his cats, with whom he shared the mystery. Often Arlette would join him and their beautiful house would be filled with friends.
In the old days, when Nomadenschätze was exhibiting in a medieval mill near Zurich, the openings and celebrations were almost legendary: full of music, the smell of kebab cooking on the fire in their yurt outside and Toni dancing barefoot all night long. This spirit was still alive in their Russo house, albeit on a somewhat mellower scale. Toni would descend regularly from this Belvedere and travel to the shop in Zurich. There he would open all the kilims and feast his eyes on their beauty, which never ceased to amaze and nourish him.
Toni, golden-hearted, moved through life slowly, with strength and tranquillity. His strength was reflected in his face, which had the noble aspect of a Roman emperor. It concealed an uncommon sensitivity and intuition, which enabled him to appreciate and assess the beauty of a kilim at first glance.
Toni was like an immutable statue placed in front of the temple of kilims. And all of a sudden he's not here any more to caress their wonderful wool in the same way he caressed his cats.
Sleep, dear Toni, may your calm memory appease the sadness of our loss.'
2009– NOMADENSCHÄTZE AM NEUMARKT 13
Zum 30. Jubiläum sind wir wieder in der Altstadt, nicht an der Kirchgasse sondern am lebhaften Neumarkt
eine glückliche Entwicklung und neue Impulse für uns. So sehr wird uns an der Kirchgasse wohl fühlten, so ist doch der Neumarkt vielfältiger. Ein guter Lebensmittelladen, verschiedene Branchen, auch noch Handwerker, was uns sehr freut, Restaurants und das Theater. Der Raum ist einiges kleiner und niedriger als er an der Kirchgasse 25 war, und so ist es ein anderer Zugang zu den antiken Kelims, die dort in ihrer ganzen Majestät gezeigt werden konnten. Hier am Neumarkt geht das nicht in dieser Form. Man muss die prächtigen Kelims innen auf den Boden, oder bei schönem Wetter auf die Gasse legen, damit man sie wirklich sieht. Aber das ist in den Basaren im Orient ähnlich. Mit dem Unterschied, dass man bei uns hereinspazieren kann nur um sich umzusehen und in Ruhe gelassen wird. Natürlich erklären und zeigen wir gern alles.
REISEN 1969–
sehr oft. Sehr gern. Zum Entdecken. Zum Einkaufen. Nur selten beides in der gleichen Zeit.
1979–1990 NOMADENSCHÄTZE IN DER WEYRMÜHLE IN MURI
mit Jurte vor dem Haus, Bach, Wald und Wiesen. Eine Idylle.
Wir suchten für den Herbst 1979 einen grossen Raum auf dem Land und fanden die Weyermühle, ein mächtiges Riegelhaus, erstmals erwähnt im 14. Jahrhundert. Der umgebaute Raum war hoch genug für unsere längsten Kelims, mächtige Holzpfeiler und im ehemaligen Bachbett eingebaute Vitrinen für unseren Schmuck waren ideal. Vor der Eingangstüre haben wir unsere Jurte aufgestellt und anfangs auch darin geschlafen und gekocht. An lange Abende und Nächte am Feuer erinnern sich heute noch Freunde, Besucher und ihre Kinder.
Anfangs waren wir eher Exoten im Ort, aber das änderte sich bald. Alte Bauernfrauen kamen, berührten die antiken Kelims und sagten zu uns: 'Also, die sind viel zu billig. Also, ich würde das so nicht weben können oder wollen.' Sie wussten, wovon sie sprachen.
Die ersten Jahre war die Mühle unser 'Winterlager', wir wohnten und arbeiteten in Zürich. Oder waren unterwegs in Afghanistan, Pakistan und der Türkei, suchten und fanden schöne Kelims, Teppiche, Stickereien und Schmuck. Wir trafen Menschen mit der gleichen Passion. Später lebten wir dann auch im Sommer in Muri, in einem Dachstock, ein lange Raum, wie ein Zelt, gleich nebenan. So pendelten wir zwischen Zürich, wo wir jedes Jahr eine grosse Ausstellung durchführten, und Muri hin und her.
Es war eine lebhafte und inspirierende Zeit, mit bis zu vier Ausstellungen im Jahr, Vorträgen, Lesungen, Konzerten und Festen bis in den frühen Morgen.
1979–2002 DIE KIRCHGASSE. UNSER ORT, IMMER WIEDER
Die erste grosse Ausstellung im Herbst 1979 im 'Karl der Grosse', die letzte im Haus Nr. 25.
Wir hatten beide schon seit vielen Jahren einen starken Bezug zur Altstadt. Vom 'Karli', wo wir mehrere Male ausstellten, dann im Woko-Haus an der Kirchgasse 36 (wo jetzt Beat Schwengeler, ein Freund, Schmuck herstellt) bis zum sehr schönen Lokal an der Kirchgasse 25, das wir sehr liebten. Der Innenhof mit den drei Birken war der ideale Platz für Feste und Vernissagen, dank unserer lieben Nachbarn, denen der Hof gehörte. Leider wurde das Haus verkauft (sonst wären wir wohl heute noch dort) und heute hat dort Werner Bommer seine bekannte Galerie.
1969–1979
Wie Toni Hutmacher und Arlette Bollag den Kelimvirus erwischten und er ihr Leben veränderte
Alles fing mit Reisen an. Toni Hutmacher, ein junger Architekt, und seine Frau Agnes fuhren im Winter 1969 in ihrem alten Citroen 2CV über verschneite Pässe und löchrige Wüstenpisten nach Indien, sassen stundenlang im Bazar und sahen sich schöne Kelims und Teppiche an. Gekauft wurden keine, das schmale Portemonnaie war für 2CV Ersatzteile reserviert. Mit Glück und der Hilfe von findigen lokalen Mechanikern schafften es die beiden mit dem alten aber rüstigen Vehikel von Zürich nach Delhi und zurück.
Arlette Bollag machte sich 1970 mit Zug und Bus auf einer ganz ähnlichen Route auf den Weg. Auch sie sass stundenlang im Bazar, schaute sich Teppiche und Kelims an, hörte den Bazaris zu. Gekauft hat sie nichts - womit denn? Und ein Kamel für den Transport hatte sie auch nicht. Die Liebe zum improvisierten Reisen hat sie bis heute nicht verloren.
Wir haben uns 1974 kennengelernt. Erlebnisse und Bilder unserer Reisen wurden wach. Schon als Jugendliche hatten wir beide, unabhängig voneinander, die Nase an den Fenstern von Teppichgeschäften plattgedrückt. Es kam, wie es kommen musste. Wie viele junge Sammler kauften wir im Orient oft zu viele Kelims und Teppiche und mussten verkaufen.
Unsere erste grosse Ausstellung NOMADENSCHÄTZE fand im Januar 1979 im Hotel Palace in Gstaad statt - im jugendlichen Übermut unbefangener Neulinge. Die im eleganten Ausstellungsraum aufgebaute kirghische Jurte wurde für die VIP's im Hotel am frühen Abend zur exotischen Apérobar, und wir zu faszinierten Beobachtern des Grand Monde. ('Er gleicht Roger Moore.' 'Das IST Roger Moore!') Wir zeigten antike Kelims und Teppiche, sassanidische Vasen, usbekische Stickereien, Ikate und Ikatmäntel.
Im Frühling 1979 stellten wir in Zürich im leerstehenden Café 'Karl der Grosse' an der Kirchgasse aus. Herzstück war ein vollständiges Ikatzelt aus Bochara. Ein Besucher sagte uns: 'Sie als Teppichhändler wissen sicher...' Wir waren perplex. So hatten wir uns bisher nicht gesehen. Es kamen Menschen mit grossem Wissen und ein sehr spezieller Wiener Museumsdirektor vorbei. Lange, interessante Gespräche. Wer allerdings von wem damals mehr gelernt hat, muss man sich nicht fragen.